Historischer Hintergrund der Roßdorfer Kirchweih (Kerb)

Roßdorf, als ältester Ortsteil von Bruchköbel bereits 850 urkundlich erwähnt, rückte im Jahr 1190 verstärkt in den Fokus der regionalen Entwicklung. Der Graf von Hanau, Heinrich II. von St. Didier, beauftragte die Antoniter – einen wohlhabenden Mönchsorden – mit der Ansiedlung in Roßdorf. Anlass hierfür war die Verbreitung einer damals grassierenden, infektionsbedingten Hautkrankheit, bekannt als „St. Antonius-Feuer“. Die Antoniter zeichneten sich durch ihre Kompetenz in der Behandlung dieser Krankheit aus, errichteten bedeutende Krankenhäuser und erhielten sowohl Privilegien als auch Ländereien zur Klostergründung, die sich von Hanau bis Marköbel (Hirzbacher Höfe) erstreckten.

Der Name Roßdorfs genoss überregionale Anerkennung, da hier das erste Antoniterkloster Deutschlands entstand – eine Feststellung, die jedoch unter Historikern weiterhin kontrovers diskutiert wird. Archivunterlagen aus Höchst am Main, dem späteren Standort des Klosters, bestätigen eine zeitnahe Gründung von Antoniterklöstern in Roßdorf und Grünberg. Im 12. Jahrhundert war Roßdorf zudem Sitz der Generalpräzeptorei, der auch die Klöster in Alzey und Köln unterstanden. Die Antoniter besaßen ferner einen Hof in Frankfurt sowie Verbindungen zum Münchshof in Bruchköbel.

Die Ursprünge der Roßdorfer Kirchweih lassen sich auf das Jahr 1240 zurückführen, als die Antoniterkirche am 18. Januar, dem St. Antoniustag, eingeweiht wurde. Diese Tradition begründet die noch heute an diesem Datum stattfindende Feier. Vom ursprünglichen Kloster und der Kirche blieb vorwiegend der Name „Klosterhof“ erhalten. Ein gotischer Spitzbogen in der Klostergasse sowie Fragmente alter Grabsteine – einschließlich Inschriften und Namen ehemaliger Schaffner – verweisen auf diese Vergangenheit.

Mit der Verlegung der Präzeptorei nach Höchst im Jahr 1441 begann der Niedergang des Klosters; dessen Gebäude wurden sukzessive abgetragen und als Baumaterial genutzt. Heute sind die einstige Bedeutung Roßdorfs und seine Rolle als Zentrum der Antoniterordensgeschichte nur noch schwer nachvollziehbar.

Chronik des Schubkarrenrennens

·       Das charakteristische Staffelhölz der Roßdorfer Kerb ist der Schubkarren, der von drei Läufern auf einer rund 400 Meter langen Strecke genutzt wird und das Fest von anderen Kirchweihen unterscheidet.

·       Die Entstehung dieses Brauchs ist auf eine Bierwette im Gasthaus „Zum Löwen“ im Jahr 1927 zurückzuführen. Damals traten Teilnehmer mit Schubkarren zu Wettläufen an; Ludwig Puth gewann das Rennen über 1200 Meter und erhielt einen Sachpreis. Die Strecke veränderte sich über die Jahre, bis schließlich die Kirchgasse ab den 1950er Jahren als Standardroute festgelegt wurde.

·       Frühere Preise umfassten praktische Güter wie Ziegelsteine oder Sand, während der Ablauf der Kirchweih seitdem mehrfach angepasst wurde. Der Montag gilt traditionell als Haupttag, wobei Tanzveranstaltungen und ein Frühschoppen die Feierlichkeiten ergänzten. Samstags haben sich in neuerer Zeit zusätzliche Programmpunkte etabliert.

·       Die Veranstaltung erlangte regionale Bekanntheit und zog zahlreiche Zuschauer an. Witterungsbedingungen beeinflussten regelmäßig das Renngeschehen, mit teils kurzfristigen Anpassungen des Ablaufs. Die Presse kommentierte das Ereignis vielfach und hob besonders die Eigenheiten des Schubkarrenrennens hervor.

·       Im Laufe der Jahrzehnte wurden Änderungen eingeführt, etwa die Vereinheitlichung der genutzten Schubkarren ab 1969. Die Organisation des Rennens und die Pflege der Tradition oblagen engagierten Persönlichkeiten aus dem Ort. Die Sieger der Wettbewerbe, darunter Jean Schnitzer, Wilhelm Maisch, Heinrich Frischkorn, Willi Geis, J. und R. Asbach, Wilfried Schutt, Gerhard Siebert, Herbert Arndt, Klaus Dressler, Reinhold Maisch und Klaus Hühnert, werden jährlich geehrt.

·       Der aktuelle Streckenrekord, 1983 von Klaus Hühnert mit 58 Sekunden aufgestellt, besteht bis heute.

·       Noch heute bekommen die Schulkinder an jenem Montag frei, um zu sehen, wie sich die Läufer anstrengen, in die Kurve legen, wie sie das Letzte aus sich herausholen und wie auch ein wenig sportlicher Ehrgeiz sie vorwärts treibt, um völlig erschöpft das Ziel am Feuerwehrgerätehaus zu erreichen.

·       Bei „Ebbelwoi", Glühwein und „Worschtsupp" verrät vielleicht auch ein erfahrener Schubkarren-Fahrer sein Patent. Es kommt nicht nur auf Schnelligkeit und Ausdauer an, sondern auch eine Portion Geschicklichkeit und vor allem Kraft ist vonnöten.

·       Seit 1978 haben die „Schubkarren-Rennfreunde Roßdorf" die Organisation des Wettrennens übernommen und damit die Fortsetzung des Rennens sichergestellt.

·       Sie vertreten auch das „Original Roßdorfer Schubkarren-Rennen", das viele Nachahmer gefunden hat, auf dem jährlich stattfindenden Hessentag mit Kostümen und ihren auffallenden Transportmitteln. Eines von ihnen musste schon mal herhalten, eine deftige Fuhre Mist mit allen zugehörigen Gerüchen, etwas von der Vielseitigkeit des Schubkarren in der Vergangenheit einem staunenden Publikum näher zu bringen.